12.06.2013
Zur Vorgeschichte des Projekts einer kölschen „Via Sacra“, zu deutsch „Heiliger Weg“,
Folgendes: Ausgangspunkt ist eine eher metaphorische Äußerung, eine idealisierte
Rückwärtsprojektion, die Kölns damaliger Stadtplaner Rudolf Schwarz 1950 publizierte, und zwar angesichts der Trümmerwüste Kölns mit ihren zerstörten historischen Sakralbauten.
Eine solche stadtplanerische Aufgabenstellung, ihre Vorbereitung, Begleitung und Nachbearbeitung stellt eine Respekt einfordernde Leistung der Initiatoren wie der Studenten dar. Bei kritischer Betrachtung fällt allerdings auf, dass in der Publikation wie im Begleitprogramm nur unzureichend deutlich wird, dass die Ergebnisse Vorschläge von Studierenden sind; es besteht somit die Gefahr, dass die akademischen Planspiele im Wortsinn „auratisiert“ und als eine Art Leitfaden für die zukünftige Gestaltung interpretiert, ja stilisiert werden könnten. Eine der Ursachen liegt m.E. in dem Begriff der „Via Sacra“ selbst und in dessen/deren Rückbezug auf Rudolf Schwarz, einer inzwischen ins Mythische entrückten Architektenpersönlichkeit. Tatsächlich enthalten die studentischen Arbeiten neben zahlreichen diskutablen Ideen viel Unausgegorenes; sie sollten daher als akademisches Übungsmaterial von zukünftigen Planern und Gestaltern eingestuft werden, als unterschiedliche städtebauliche Konzepte für bestimmte, im Stadtplan zu lokalisierende Bereiche bzw. Quartiere ohne jeden „Sakralbezug“. Viel schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass im Gegensatz zu den oben wiedergegebenen Intentionen einer „Via Sacra“ nicht etwa Vorschläge zur „Stadtreparatur“, also zur „Behebung
von Defiziten“, eingebracht, sondern häufig neue Baufelder erschlossen, Neubauten vorgeschlagen und in das für die Ausstellung geschaffene Stadtmodell eingefügt werden. Und diese Neubauten nehmen auf bestehende „geglückte“ Situationen, etwa denkmalgeschützte Nachbarbauten der Kirchen, vorhandene dezente Höhenlinien, auf Freiräume oder auf Grünanlagen kaum Rücksicht. Es drängt sich folgendes Urteil auf: Eine Realisierung der meisten in der Publikation und der Ausstellung dokumentierten Planungsvorstellungen würde zu einer erheblichen baulichen Verdichtung rings um die Sakralbauten selbst sowie zu einem Verlust von denkmalgeschützter Bausubstanz und besonders auch von Grünanlagen führen.
Dazu einige Beispiele: An St. Gereon rückt eine höhere Bebauung an die Nordflanke des Langchors zur Christophstraße und eliminiert die vorhandenen, denkmalgeschützten niedrigen Bauten, ein Konzept von Rudolf Schwarz (!), samt kleiner Grünanlage (Bestattungen!). Die Grünfläche im Südwesten weicht einem neuen Baublock, was eine bauliche „Umzingelung“ der Kirche bedeuten würde. Alle jüngsten Bemühungen um die Verhinderung einer solchen Umzingelung und Dominierung der Kirche von Westen her (ehem. Gerling-Quartier) werden konterkariert. Der Bauvorschlag für den Börsenplatz ignoriert vollkommen die vorhandene, denkmalpflegerisch wie städtebaulich großartige Situation von Grünanlage, Priesterseminar, erzb. Palais und Kirche, Werken von Hans Schumacher und Willy Weyres. An St. Mauritius weicht die Grünanlage westlich des ehem. barocken Klosters, der heutigen „Wolkenburg“, einem Baublock; auch im Norden des Sakralbaus werden Nachverdichtungen angeregt. Ganz „schlimm“ wird es an St. Pantaleon: Hier trennt ein doppelter Gebäuderiegel zu den Bächen die weitläufige Grünanlage von der noch immer optisch zu erlebenden ehem. Klosterimmunität ab. Die Parkanlage aus der Nachkriegszeit wird erheblich verkleinert, und die dortige Sicht auf das Westwerk der Kirche, wichtig auch für die Autofahrer-Perspektive, geht verloren. Die Vorschläge zur beidseitigen Einfassung der mittelalterlichen Stadtmauerreste im Bereich der Grünanlage des Sachsenrings durch Wohnzeilen sind ebenfalls äußerst bedenklich. Bei der ehemaligen Kartause, u.a. Sitz der Verwaltung der evangelischen Kirche in Köln, wird das restliche Freigelände, für die städtebauliche Wirkung von Kirche und Kloster von erheblicher Bedeutung, einer punktförmigen Bebauung (= Verdichtung) zugeführt. Entlang der Ulrichgasse erhebt sich eine Blockrandbebauung, die auf die Immunitätsmauer mit den barocken Bildstöcken an den Ecken keine Rücksicht nimmt, vielmehr ihren Abriss voraussetzt. Auf dem Kirchplatz von St. Severin wächst im Südwesten des Hauptturms ein Baukubus empor. Weiter östlich erhält der sog. Annoriegel im ehem. Stollwerckgelände, heute schon von stattlicher Höhenerstreckung, eine zusätzliche Aufstockung, was mit der angeblich städtebaulich notwendigen Überleitung zu den Kranhäusern im Rheinauhafen begründet wird. Die Folge wird der Verlust der stadtbildprägenden Wirkung der drei Türme von St. Severin vom Rhein her sein.
Fazit: Viele Vorschläge der Planungsteams des Workshops werfen aus denkmalpflegerischer und stadtökologischer Sicht ernste Probleme auf. In den Textbeiträgen werden explizit die
architektonischen und städtebaulichen Vorstellungen der die studentischen Gruppen begleitenden Hochschullehrer deutlich: „Stadtreparatur“ als neo-konservative Blockrandbebauung, als Nachverdichtung auf Kosten von Frei- und Grünflächen! Kritiker vermissen jede Sensibilität für die spezifischen städtebaulichen Lösungen aus der Nachkriegsepoche, die ja gerade für Köln so zeit-typisch und nicht zuletzt deswegen auch denkmalwert sind. Ironie der Geschichte: Gerade diese Nachkriegs-Lösungen basieren häufig auf dem Ideengut von Rudolf Schwarz!
Was wäre also zu tun? Helmut Haumann, der Vorsitzende des Fördervereins Romanische Kirchen Köln e.V., schlägt vor, das Ensemble aller zwölf „Romanischen Kirchen“ der Kölner Altstadt in den Fokus zu nehmen. Eine solchermaßen erweiterte, neu trassierte „Via Sacra“ wäre dann planerisch und gestalterisch, unter Berücksichtigung des denkmalwerten und vor allem auch des „grünen“ Bestandes ihres jeweiligen Umfelds, unter Beachtung der Vorgaben des 2007 vom Rat der Stadt Köln verabschiedeten „Höhenkonzepts“, zu definieren und peu à peu zu realisieren. Ähnlich sieht es die Vorsitzende des Regionalverbands Köln des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Prof. Dr. Barbara Schock-Werner. Sie plädiert dafür, vor allem die „Zwischenräume“ der „Perlenkette“ zu thematisieren, d.h. tatkräftig daran zu arbeiten, städtebauliche Monstrositäten wie die Übergänge an der Nord-Süd-Fahrt durch geeignete Maßnahmen zu verbessern und ganz allgemein den Pflegezustand der Verbindungsstraßen zwischen den Kirchenbauten zu heben…
Es bleibt also noch viel zu tun!
Köln, den 12.06.2013
Ulrich Krings, ehemaliges Vorstandsmitglied des RV Köln
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