01.03.2022
Bis 1854 war Ernst mit dem „Rücken“ zur Mosel ausgerichtet. Die zwei Ortsteile Ober- und Nieder- oder Unterernst waren zur hochliegenden Dorfstraße, der heutigen Weingartenstraße, gerichtet.
Ähnliche Dorfstrukturen waren bei den meisten Moseldörfer anzutreffen. Als dann der Neubau einer Schule und einer Kirche anstand und die Gemeinde passendes Bauland zur Verfügung hatte, wurde diese an der in der Planung befindlichen Moselstraße ausgerichtet. Obwohl der Erlass von König Friedrich Wilhelm erst vom 10. April 1854 stammte, war die Planung der Moselstraße bereits 20 Jahre vorher angedacht. Zu diesem Zeitpunkt waren die Quirinius-Kapelle, 2 Wohnhäuser und ein Kelterhaus auf die zukünftige Moselfront ausgerichtet.
1854/55 wurde dann die Moselstraße gebaut und bot sich als Erschließungsstraße für ein Neubaugebiet geradezu an. Moselseitig war bauen verboten, aber bergseitig standen mehr als 1200 lfm. zur Verfügung. Zum Bauen gehört natürlich auch Geld und hier waren die Voraussetzungen durch einen sehr gut florierenden Weinbau hervorragen.
Ab den Jahren 1834 wurde der Moselwein wieder gut bezahlt. Während bis dahin zum Teil unter 40 Taler bezahlt wurden, stieg der Preis für den ausgezeichneten 1834er auf 220 Tlr. Aber es kam noch besser. 1857 wuchs einer der besten Moselweine seit Menschen-gedenken. Mit Ausnahme des 1811er stellte er alles in den Schatten. Um dem 57er rissen sich alle Händler. Es wurden 400 bis 600 Taler bezahlt. Da auch die Jahrgänge bis 1865 mit einer Ausnahme hervorragende Weine hervorbrachten, hatten die Winzer wieder die Möglichkeit zu Investieren und zum Bauen.
Der erste private Neubau an der neuen Straße, nach den Gemeindebauvorhaben Kirche und Schule, wurde von dem pensionierten Lehrer Seul 1862 errichtet. Dieser hatte die alte Kirche zum Abriss ersteigert und baute aus diesen Baumaterialien ein 6achsiges, respektables Wohnhaus. Bei diesem ersten Bau zeigt sich der neue Stil des Bauens, Fachwerk ist nicht mehr gefragt. Der Baukörper wird bis zum Kranzgesims in Bruchsteinen ausgeführt. Das Kranzgesims bekam eine Steinkrönung so dass die Dachsparren nicht mehr sichtbar waren. Die Fenster und Türlaibungen sind aus Basalt. Die Bruchsteine werden nicht verputzt, sondern sehr sauber vermauert. Die Vorgaben kamen vom Bau der Kirche und der Schule. Im Mauerwerk erscheinen bei Seul viele Buntsandsteine die aus der alten Kirche stammten.
Alle Gebäude haben eines gemeinsam, das Kranzgesims ist verziert und oder mit gekehltem Holz oder Stein abgeschlossen. Die Fenster und Türlaibungen sind zur Hälfte mit weißem Sandstein oder mit Basalt hergestellt. Roter Sandstein ist nur an der Kirche am Kloster und bei der Villa Altendorf am Ortseingang zu finden. Alle drei Gebäude wurden von auswärtigen Architekten geplant.
6achsiges Haus mit Tuffstein Kranzgesims mit den
originalen Dachgauben.
In den 70er Jahren waren die Kranzgesimse teilweise kostengünstiger ausgeführt. So kamen Holzverschalung mit schöner Klötzchen Verzierung zur Ausführung.
Es gab natürlich auch einige besondere Häuser. Wenn Bauherr und Architekt gleiche Ansichten hatten und der Bauetat stimmte, kamen sehr schöne Hauser zur Ausführung.
Baujahr 1876
Fenster und Türlaibung aus weißem Sandstein.
Die Fenster im ersten Stock sind auf dem Stockgurt aufgesetzt.
Das Kranzgesims ist aus dekorativer Bretterverschalung mit
Holzpodesten und Zierklötzchen. Es war das Haus der 1870er bis 1910er Jahre.
Ein besonderes Haus ist das des Peter Otto von 1882. Es wurde sehr großzügig angelegt. Die Fenster- und Türgewände sind aus Basalt. Dieser war wesentlich teurer als Sandstein. In der Gaube sind Rund- und Spitzbogige Fenster gerahmt mit gelblichem Sandstein Gewände. Das ausgekehlte Kranzgesims wurde aus Tuffstein ausgeführt. Das Haus ist auch heute noch in gutem historischem Zustand.
Das Kranzgesims aus Tuffstein mit eingearbeitetem Regenablauf. Rechts die originale Haustüre und die fünfstufige Eingangstreppe.
Zwischen 1900 und 1907 gab es im Dorf drei sehr schöne Häuser bei denen der Architekt und Bauunternehmer Hubert Klemens federführend war.
Der Baukörper wurde aus sehr schönen Steinen die aus den Senheimer Steinbrüchen stammten hergestellt. Das Mauerwerk wurde mit einem Hohlfugeisen fachgerecht verfugt. Die Haustüre wurde von der Giebelseite auf Straßenfront stilgerecht verlegt. Unter dem Kranzgesims aus rundausgehölten Bohlen sind kleine rundbogige Blendarkaden aus Ziegelseinen angesetzt.
Zum Abschluss sei noch der Hotelbau Josef Göbel erwähnt. 1900 errichtet mit einer Klassizistischen Schaufront. Heute in sehr schlechtem Zustand.
In Ernst wurden an der Moselstraße in 50 Jahren 26 Häuser gebaut. Das erscheint auf den ersten Blich ja nicht umwerfend viel. Es kommt jedoch hinzu, dass im gleichen Zeitraum im Dorfkern noch einmal mindestens 28 neue Häuser entstanden, bei 450 Einwohnern. Hier war es jedoch so, dass fast alle Neubauten an Stelle älterer Häuser gebaut wurden. Deshalb kann man Ernst heute nicht als Fachwerkdorf bezeichnen. Wir haben lediglich eine Fachwerkgruppe und 4 einzelne noch bewohnte Fachwerkhäuser, für ein Moseldorf sehr wenig. Die ausgezeichnete Wirtschaftslage in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. hat Ernst bis heute geprägt.
Ein Bericht von
Joachim Barden
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