Anstelle der aufgegebenen Eisenbahntrasse der Bergisch-Märkischen und der Köln-Mindener-Eisenbahn plante die damals unabhängige Stadt Mülheim am Rhein zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine in Nord-Süd-Richtung verlaufende Prachtstraße, die die Altstadt und das neue Mülheim verbinden sollte.
Aufgrund der topographischen Gegebenheiten war diese historisch in zwei Teilen konzipiert: als Clevischer Ring im Norden und als östlich versetzt anschließender Bergischer Ring im Süden.
Im Frühjahr 1913, wurde nach den Plänen des Mülheimer Gartenbauinspektors Johann Vincentz der Clevische Ring als Pracht-Boulevard fertiggestellt. Der breite Mittelstreifen war als Schmuck- und Gartenanlage gestaltet. Als krönenden Abschluss zur Buchheimer Straße hin wurde im Juni 1913 zunächst der Schifffahrtsbrunnen und dann an der Ecke Wolfstraße, der heutigen Keupstraße, der Handelsbrunnen aufgestellt. Auf Wunsch der Spender fand keine Enthüllungsfeier statt.
Das Brunnenpaar wurde von dem damals 29-jährigen Bildhauer und Bühnenbildner Hans Wildermann (1884–1954) geschaffen. Beide Brunnen zeigen in der Mitte eines ca. sechs Meter breiten Podestes eine allegorische, überlebensgroße Figur aus Bronze. Bei dem Schifffahrtsbrunnen ist es eine Frauenfigur, die in der linken Hand einen Anker hält und die Schifffahrt symbolisiert, bei dem Handelsbrunnen war es Gott Merkur, der seine linke Hand auf eine Kabeltrommel legt und den Handel bzw. die Industrie symbolisiert. Die beiden Hauptfiguren aus Bronze wurden von zwei liegenden Pferden mit Reitern eingerahmt. Die Reiter stützten mit ihren gesenkten Köpfen und mit beiden erhobenen Armen eine Muschelschale. Aus beiden Seiten der Muschelschalen floss das Wasser in die halbkreisförmigen Brunnenbecken vor und hinter dem Podest. Die beiden Pferde sind sogenannte Hippokampen, also Mischwesen, vorne Pferd und hinten Fisch. Hippokampen sind Wesen aus der griechisch-römischen Mythologie. Die Idee zu diesen beiden Brunnen stammte von Mülheimer Oberbürgermeister Bernhard Clostermann. Beide Brunnen sind bis auf die zentrale Figur identisch.
Bronze war damals sehr teuer und stellte daher eine hohe Wertschätzung für den Brunnen dar. Die Gesamtkosten betrugen für beide Brunnen insgesamt 20.000 Mark (heutiger Wert ca. 115.000 Euro). Der Handelsbrunnen wurde von Felten & Guilleaume Carlswerk AG mit 5000 Mark gesponsert, der Schifffahrtsbrunnen vermutlich von den Farbwerken Franz Rasquin AG, der Rest wurde vom Mülheimer Verschönerungsverein gestiftet.
1928 wurde der Schifffahrtsbrunnen wegen des Baus der ersten Mülheimer Hängebrücke demontiert und kam in ein Depot im Fort X am Neusser Wall. Im gleichen Jahr wurde die Stammtischgesellschaft „Nie gehässig“ gegründet. Die Figuren des Handelsbrunnen wurde vermutlich 1943 durch einen Luftangriff beschädigt und wurden dann im offenen Volksparklager zwischengelagert. Der weitere Verbleib ist ungeklärt, vielleicht wurden die Bronzefiguren eingeschmolzen. Das Brunnenbecken blieb erst mal erhalten.
Der Heimatforscher und Vorsitzender der Bürgervereinigung Köln-Mülheim 1951 e.V, Bernhard Kempkes (1935–2015), setzte sich dafür ein, den seit 1980 unter Denkmalschutz stehenden Schifffahrtbrunnen, wieder in Mülheim aufzustellen. Im März 1982 wurde die Brunnenskulptur auf dem Wiener Platz an der Stelle des heutigen Bezirksrathauses auf einem niedrigeren und einfacheren Sockel ohne Wasserbecken und ohne Muschelschalen aufgestellt. Auf Initiative Kempkes übertrug man im gleichen Jahr der Stammtischgesellschaft „Nie gehässig“ die Patenschaft. Anlässlich des 5. Brunnenfestes 1986 ließ die Bürgervereinigung Köln-Mülheim 1951 e.V. die noch fehlenden Muschelschalen rekonstruieren und den Brunnen vervollständigen. Seitdem haben die Brunnenfiguren wieder ihr originales Aussehen von 1913, leider jedoch ohne Funktion als Brunnen. Beim Bau des heutigen Bezirksrathauses wurde der Brunnen an den Rand des Stadthallen-Parkplatzes verschoben und erhielt 1998 seinen heutigen Standort. Im Jahr 2011 wurden beide Muschelschalen gestohlen und 2014 erneut ersetzt. Auch waren in den letzten Jahren öfters Vandalismusschäden zu beklagen (2017, 2021).
Der Schifffahrtsbrunnen ist – in Köln der einzige Brunnen mit Hippokampen (sogar ein Hippokampen-Paar) – in Köln einer der ganz wenigen Jugendstilbrunnen – eine Erinnerung an die große Zeit der Verschönerung in Mülheim am Rhein (1910 bis 1914) – der einzige Brunnen von Hans Wildermann – das einzige Brunnenpaar gewesen (in anderen Städten, wie z.B. Dresden, gibt es viele Brunnenpaare) – ein Denkmal für den einst wichtigen, und damals rasant wachsenden, Wirtschaftszweig Schifffahrt der Stadt Mülheim am Rhein Damit der Schifffahrtsbrunnen nach 94 (!) Jahren bald wieder sprudeln kann, setzen sich der Arbeitskreis „Denkmal des Monats“, wie auch der Rheinische Verein, in Bezug auf den Schifffahrtsbrunnen für einen angemessenen neuen Standort in Köln-Mülheim, etwa den Bahnhofsvorplatz, sowie die denkmalgerechte Restaurierung der beschädigten rechten und linken Reiterskulptur und der beiden Muschelschalen ein.
Auch die Rekonstruktion des historischen Sockels, an Stelle des heutigen provisorischen Betonpodestes, mit dem dazugehörigen Brunnenbecken ist für einen funktionierenden Brunnen unbedingt erforderlich. Mülheim galt zu Beginn des 20. Jahrhunderts als die Stadt der Brunnen, wovon noch heute der 2017 restaurierte Genovevabrunnen (1914) am nördlichen Clevischen Ring und der Märchenbrunnen (1914) am Rande des Mülheimer Stadtgartens zur Freude der Bevölkerung zeugen. Der Schifffahrtsbrunnen würde das Brunnentrio komplettieren.
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